Business im Doppelpack

Im Gastbeitrag von Dr. Simon Lichte stellt der Gründer und Appentwickler seine neue App, welche euch beim finden von unterbewerteten Aktien helfen soll, vor.

Wer in den sozialen Medien unterwegs ist, kennt diese Schnell-reich-werden-Scams nur zu gut. Immer wird die nicht unwahre Erkenntnis zitiert, dass sich reiche Menschen mehr als einen Einkommensstrom aufgebaut haben. Was dann allerdings passiert ist in den allermeisten Fällen mit unseriös noch wohlwollend beschrieben. Ich bin überzeugt davon, dass man tatsächlich mehrere Einkommensströme aufbauen kann, aber erstens geht das nicht über Nacht (auch nicht in 14 Tagen oder gar in einem Monat) und zweitens kostet es Schweiß und Tränen wegen der Mühen, die man zweifelsohne investieren muss, und den Problemen, denen man sich als angehender Gründer unweigerlich konfrontiert sieht.

Mit diesem Artikel möchte ich Mut machen, mehr Business zu wagen. Ob als Anleger, der durch den Erwerb von Aktien als Mitunternehmer agiert, oder als Gründer, der ein relevantes Problem für andere mit Profit löst, oder – und auch das ist sehr gut möglich – eine Kombination aus beidem.

Warum immer alles kaufen? Gute Unternehmen zum günstigen Preis

Als ich mit dem Investieren begann, stellte ich mir gleich zu Anfang die grundlegende Frage: Geld aktiv in Einzelaktien anlegen oder lieber passiv und möglichst breit gestreut? An dieser Frage scheiden sich bekanntlich die Geister. Also ist es wichtig sich über beide Ansätze umfassend zu informieren, die Argumente und Gegenargumente der jeweiligen Befürworter zu kennen, um dann schlussendlich für sich selbst zu einer Entscheidung zu gelangen.

Als bekanntester Befürworter der passiven Anlagestrategie mittels ETF im deutschsprachigen Raum ist wohl Dr. Gerd Kommer zu nennen, und selbstverständlich habe ich sein Standardwerk gelesen. Sein Kernargument ist, dass zu jeder beliebigen Zeit, alle am Markt verfügbaren Informationen im Aktienkurs eines Unternehmens eingepreist sind. Aus diesem Grund kann es keine Strategie geben, die den Markt dauerhaft schlagen kann, und man solle lieber in eben diesen Markt investieren, so breit diversifiziert wie nur möglich, und sich mit der so erzielbaren Marktrendite zufriedengeben.

Nun hätte ich an dieser Stelle mit dem Lesen aufhören, einen Sparplan auf den MSCI World einrichten, und mich in 30 Jahren an dem Ergebnis erfreuen können. Allerdings hörte ich nicht auf zu lesen, denn ob eine These gut oder schlecht ist, kann man nur dann vernünftig beurteilen, wenn man auch andere Blickwinkel kennt. Also folgten auf Kommer weitere Bücher und schon bald landete ich bei dem Werk eines amerikanischen Hedgefonds-Managers namens Joel Greenblatt.

Zauberei, die eigentlich keine ist: Kapital- und Gewinnrenditen als Schlüsselindikatoren

Greenblatt widerspricht Kommer mit folgender These: Investiere ich passiv mit einem ETF, der den weltweiten Aktienindex abbildet, so kaufe ich jeden Monat alle Unternehmen weltweit ungeachtet ihrer individuellen Performance ein. Lediglich die Marktkapitalisierung entscheidet über die Gewichtung im Index. Aber wäre es nicht sinnvoller, aus der Menge der Unternehmen jeden Monat nur diejenigen herauszupicken, die sowohl gut als auch günstig zu haben sind? Greenblatt behauptet eine solche Strategie könne in der Tat den Markt schlagen, aber nur, wenn man sie rigoros anwende, und auch an schlechten Tagen (und solche wird es unvermeidlich geben) nicht von ihr ablasse.

Jetzt muss man allerdings definieren, was „gut“ und „günstig“ eigentlich bedeuten. Greenblatt schlägt dazu zwei Indikatoren vor, die eben genau diese zwei Fragen beantworten: ein Unternehmen ist gut, wenn es eine hohe Kapitalrendite aufweist, und es ist günstig, wenn es eine hohe Gewinnrendite aufweist. Doch was heißt das jetzt genau?

Unter Kapitalrendite (engl. Return on Invested Capital) setzt Greenblatt den Gewinn eines Unternehmens in das Verhältnis zu dem Kapital, welches das Unternehmen erst investieren musste, um überhaupt seine Produkte oder Dienstleistungen zum Verkauf anbieten zu können. Je mehr Geld ein Unternehmen investieren muss, um denselben Gewinn zu erzielen, desto kleiner ist seine Kapitalrendite. Je höher die Kapitalrendite, desto besser ist ein Unternehmen.

Unter Gewinnrendite (engl. Earnings Yield) setzt Greenblatt dann den Gewinn des Unternehmens in das Verhältnis zu seiner Marktkapitalisierung, und damit in das Verhältnis zum Aktienkurs des Unternehmens. Sinkt der Aktienkurs bei gleichbleibendem Gewinn, so steigt die Gewinnrendite; steigt der Aktienkurs, so fällt die Gewinnrendite. Damit man die Gewinnrendite der Unternehmen aber überhaupt sinnvoll miteinander vergleichen kann, muss man die unterschiedlichen Verschuldungsgrade der Unternehmen berücksichtigen. Ein hoch verschuldetes Unternehmen muss auch in Zukunft einen Teil seiner Umsätze aufwenden, um seine Schulden zu bedienen, wogegen ein schuldenfreies Unternehmen diese Verbindlichkeit nicht bedienen muss. Daher fließen in die Berechnung der Gewinnrendite viele Parameter aus der Bilanz, insbesondere aus den kurz- und langfristigen Verbindlichkeiten, ein.

Berechnet man nun Kapital- und Gewinnrendite für eine Vielzahl an Unternehmen, so kann man Unternehmen sinnvoll miteinander vergleichen. Sortiert man die Unternehmen absteigend von hohen zu niedrigen Renditen, findet man die guten und günstig bewerteten Unternehmen am Anfang der Liste, schlechte (weil vielleicht nicht einmal profitable) oder teuer bewertete Unternehmen eher am Ende der Liste.

Auch wenn die Greenblatt’schen Formeln in Deutschland ungeschickt als „Börsenzauberformeln“ veröffentlich worden sind, mit Zauberei hat sein Verfahren rein gar nichts zu tun. Auch ist Greenblatt nicht in der Lage, den günstigsten Kaufzeitpunkt mit seinen Formeln vorherzusehen. Es ist möglich, dass der Aktienkurs eines Unternehmens deutlich weiter nachgibt, auch wenn das Unternehmen derzeit am Anfang der Liste positioniert ist. Ich habe diese Erfahrung mit Moderna selbst machen müssen. Market Timing ist eben ohne Glaskugel unmöglich, aber es ist durchaus möglich zu einem beliebigen Zeitpunkt sagen zu können, wie sich zwei (oder mehr) Unternehmen zueinander verhalten und das, und nur das, leistet der Ansatz von Greenblatt.

Die Pein der Excel-Tabellen ist die Geburtsstunde von Kurskontrolle

Endlich hatte ich meinen Ansatz gefunden und mit großer Motivation verbrachte ich meine freie Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr 2020 damit, wie ein Besessener Kapital- und Gewinnrenditen von Unternehmen aus dem MSCI World auszurechnen. Das Ergebnis waren stetig anwachsende Excel-Listen, die – sofern man immer aktuelle Indikatoren haben wollte – täglich aktualisiert werden mussten, da sich die Aktienkurse kontinuierlich änderten, und auch nach jedem neu veröffentlichten Geschäftsbericht musste ich die Daten in Excel wieder überarbeiten.

Dennoch war ich von dem Ansatz überzeugt und weil ich die Formeln ja sowieso für mich berechnen musste (denn sonst wüsste ich ja nicht, welches Unternehmen ich nächsten Monat kaufen sollte), erkannte ich, dass ich auch anderen Anlegerinnen und Anlegern einen riesigen Mehrwert bieten könnte, wenn ich diese Berechnung allgemein zugänglich machen würde. Als Informatiker, der sich privat für die App-Entwicklung interessierte, war es von Anfang an klar, dass ich keine Webseite, sondern eine echte native App entwickeln wollte, die besonders einfach zu bedienen ist. Kurskontrolle war geboren.

Jeder kann mehrere Einkommensströme aufbauen, aber jede Geschichte ist anders

Es sollte jetzt mehr als ein Jahr dauern, bis aus der Idee zu Kurskontrolle ein Unternehmen mit einem Minimum Viable Product (MVP) wurde, das ich zusammen mit einem guten Freund gegründet habe. Mein erstes Aktiendepot habe ich im September 2021 aufgelöst und das investierte Geld plus die Gewinne, die ich bis dahin erzielt habe, sind dann in die Gründung von Kurskontrolle UG geflossen.

Seit Ende Januar 2022 und nach unzähligen langen Abenden, zum Teil Nächten und Wochenenden, ist Kurskontrolle endlich im Apple App Store zu finden. Wir arbeiten jetzt daran, unsere App auch auf Android verfügbar zu machen und bauen den Bereich für unsere Plus-Mitglieder, die Aktien aus aller Welt bewertet bekommen, kontinuierlich weiter aus.

Ich bin überzeugt, dass Kurskontrolle ein relevantes Problem löst und sowohl unerfahrenen als auch erfahrenen Anlegerinnen und Anlegern helfen kann, Aktien mit Bedacht auszuwählen. Wir kennen diese orakelnden Aktienanalysen nur zu gut, und sind daher froh mit Kurskontrolle ein wichtiges Werkzeug für den Analysten-Werkzeugkoffer anbieten zu können. Auch wenn man Kurskontrolle als primäres Werkzeug einsetzen kann, so kann man es auch als Ergänzung zu weiteren Analysen nutzen.

Alle Analysen in Kurskontrolle basieren auf Zahlen, Daten und Fakten, also vergangenem und nachprüfbarem Wissen. Die Greenblatt’sche Methode unterstellt guten Unternehmen, dass sie auch in der Zukunft in der Lage sein werden, gut zu wirtschaften. Dennoch sollte man einmal im Jahr jedes Unternehmen auf den Prüfstand stellen, um zu verstehen, ob ein Verkauf angeraten sein könnte oder nicht. Aber selbst wenn es Indikatoren gäbe, die dann zu einem Verkauf führten, würde man den Erlös aus dem Verkauf wieder erneut nach derselben Methode anlegen, nur dass das Geld dann seinen Weg in ein anderes gutes und günstiges Unternehmen finden wird. Auch wenn sich der Markt wandelt, gute und günstige Unternehmen lassen sich so immer noch erkennen.

Ich möchte mit diesem Artikel Mut machen: Mut, Aktien als Chance zu sehen, um einen weiteren Einkommensstrom aufzubauen. Aber auch Mut, ein eigenes Business aufzubauen, wenn man eine Gelegenheit dazu findet. In meinem Fall war es der Bedarf nach einer sachlichen Aktienanalyse basierend auf Zahlen, Daten, Fakten, die ich jederzeit in der Hosentasche mit mir herumtragen kann. In deinem Fall kann es etwas vollkommen anderes sein, denn deine Geschichte ist eine andere, deine Expertise ist eine andere, und auch deine Interessen sind höchstwahrscheinlich anders. Dennoch ist es immer ein vielversprechender Ansatz zunächst ein Problem zu lösen, dass man selbst hat. Bei so vielen Menschen auf dieser Welt ist es nicht unwahrscheinlich, das andere gerade dasselbe Problem haben und sich ebenfalls eine Lösung herbeisehnen.

Ein solcher Weg wird nicht einfach sein, auch wenn der eine oder andere Influencer etwas anderes behaupten mag, deswegen ist es wichtig Spaß bei deiner Idee zu haben. Dann wird es leichter für dich werden, bei Schwierigkeiten nicht sofort aufzugeben, und Schwierigkeiten sind unvermeidlich. Am Ende winkt dann neben deinem Einkommen aus Aktien vielleicht noch ein weiterer Einkommensstrom, weil du den Mut hattest, ein Problem nicht nur für dich, sondern auch für andere zu lösen. Jede und jeder, der für andere ein relevantes Problem löst und damit Mehrwert stiftet, verdient es auch ein Einkommen darüber zu erzielen. Schließlich möchtest du auch nur in Unternehmen investieren, die genau dasselbe tun. Das ist Unternehmergeist.