Schlag den Index

Im zweiten Gastbeitrag geht Simon noch detaillierter auf den Nutzen von Kurskontrolle ein und zeigt, wie man den Index schlagen könnte.

In diesem Beitrag möchte ich euch erklären, wie ich mit Value-Investing nach Joel Greenblatt in einem Jahr sowohl den MSCI World ETF als auch den MSCI World Value Factor ETF geschlagen habe. Obwohl ich in den ersten Monaten meines Investment-Experiments genau das getan habe, was man eigentlich nicht tun sollte: zu viel hin und her traden. Allerdings habe ich meinen Fehler eingesehen und seit Januar endlich eine Kontinuität in meiner Investment-Strategie gefunden, die mir bis zum heutigen Tag, da ich diesen Artikel bei Kerzenlicht und einer kühlen Flasche Bier schreibe, eine Performance von 24,74% (True Time-Weighted Rate of Return) und 6,09% (Interner Zinsfuß, jeweils ermittelt mit Portfolio Performance) geliefert hat und das in einem äußerst schwierigen Marktumfeld.

Wer ist eigentlich Joel Greenblatt?

Zunächst sollte ich erklären, wer überhaupt Joel Greenblatt ist, denn nicht jeder wird ihn kennen. Greenblatt ist ein amerikanischer Fondsmanager, der seit 1985 mit seiner Investment-Gesellschaft Gotham Asset Management nach Value-Kriterien investiert. Im deutschsprachigen Raum ist er einigen vielleicht als Autor des Buches „Die Börsenzauberformel“ ein Begriff, wobei ich den Namen „Börsenzauberformel“ für äußerst ungeschickt gewählt halte: denn mit Zauberei hat sein Investment-Ansatz rein gar nichts zu tun!

Von seinem Ansatz her reiht sich Joel Greenblatt zwischen Benjamin Graham und Warren Buffett ein, die alle ein fundamentales Mantra teilen: nämlich gute Unternehmen zu einem günstigen Preis einzukaufen. Genau das meint man, wenn man von Value spricht: man sucht nach Unternehmen, die zum Zeitpunkt des Kaufs unterbewertet sind, d.h. gemessen an ihren Fundamentaldaten zu einem im Vergleich geringen Preis an der Börse zu handeln sind. In seinem Buch schlägt Joel Greenblatt dann auch vor, regelmäßig Aktien solcher unterbewerteten Unternehmen zu kaufen und mindestens ein Jahr lang zu halten. Allerdings sollte das Unternehmen nicht nur unterbewertet sein, sondern es muss sich dabei auch um ein qualitativ hochwertiges Unternehmen handeln.

Greenblatts Denkansatz ist dann folgender: kurzfristig handelt der Markt oft irrational, aber langfristig werden die Kurse von Qualitätsunternehmen eben diese Qualität widerspiegeln: sie werden steigen, da diese Unternehmen wiederholt in der Lage sein sollten, ein profitables Geschäft abzuwerfen und die Marktteilnehmer das auch langfristig zu würdigen wissen. Nun kann es allerdings vereinzelt vorkommen, dass ein Unternehmen seinen Zenit überschritten hat und das einstige Geschäftsmodell aufgrund neuer disruptiver Marktteilnehmer nicht mehr so funktioniert wie früher. Deswegen empfiehlt Greenblatt auch nicht Buy & Hold Forever, sondern Buy & Hold & Check. Nach genau einem Jahr Haltedauer sollte man jedes seiner Investments auf den Prüfstand stellen. Denn sollte ein zuvor funktionierendes Geschäftsmodell eines Tages nicht mehr funktionieren, dann wird sich das auch in den Geschäftszahlen des Unternehmens bemerkbar machen. Das ist dann der Zeitpunkt, die Reißleine zu ziehen, die Aktien des Unternehmens zu verkaufen, und den Erlös zu reinvestieren — in das nächste unterbewertete Qualitätsunternehmen natürlich!

Wie habe ich selbst in den letzten 12 Monaten investiert?

Inspiriert durch das eingangs erwähnte Buch von Joel Greenblatt wollte ich seine Strategie anwenden, um herauszufinden, wie gut seine Strategie für mich funktioniert. Laut Greenblatt kann man mit dieser Strategie den Markt schlagen, was nach anderen Autoren, wie beispielsweise Gerd Kommer, nicht möglich sein sollte. Gebt euch mit einem (oder mehreren) ETF zufrieden, so dessen Mantra. Dabei kennen wir die Ausnahmen. Es gibt Investoren, die tatsächlich über einen längeren Zeitraum eine Outperformance erreichen. Ist es die Mehrheit? Vermutlich nicht, aber es ist eben auch nicht ummöglich. Deswegen war ich motiviert, genau dieses Value-Experiment zu beginnen. In der folgenden Tabelle habe ich all meine Käufe seit Januar diesen Jahres aufgelistet, denn erst seit Januar habe ich den Ansatz von Greenblatt ohne Ausnahmen durchgehalten. Zu den drei Monaten davor werde ich mich gleich noch äußern, doch starten wir zunächst mit meinen Investments von Januar bis September 2022:

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Bei jedem Kauf habe ich mich für eine Aktie entschieden, die nach dem Bewertungsverfahren von Joel Greenblatt gut abgeschnitten hat. Wie genau sein Bewertungsverfahren funktioniert, habe ich in einem anderen Artikel beschrieben.

Ich habe bei meinen Käufen versucht, eine gewisse Diversifikation über Branchen als auch über Länder zu erreichen. Ich habe dabei sicherlich nicht die optimalen Entscheidungen getroffen. Die USA sind mit fast der Hälfte der Aktien in meinem Depot mein bevorzugter Markt, gefolgt von UK und Japan. Aus Deutschland und Australien halte ich lediglich je nur ein Unternehmen.

Ich habe zu Beginn erwähnt, dass mein Start etwas holprig war, da ich den Ansatz von Greenblatt nicht sofort eisern durchgehalten habe. Ich gebe zu, dass ich bereits in den ersten drei Monaten Aktien nach kurzer Zeit wieder verkauft habe, weil ich mir zum einen aus Neugierde einen Stop Loss gesetzt habe (ich wollte dieses Feature unbedingt mal ausprobieren), zum anderen habe ich testen wollen, ob ich den Markt austricksen kann — und natürlich kann ich das nicht! Ich habe sehr schnell gemerkt, dass ich diese Spielerei lassen sollte, sonst wäre ich auch nicht in der Lage, den Ansatz von Greenblatt sauber beurteilen zu können. Leider ist es, wie es ist, und so zeige ich euch meine ersten drei experimentellen Monate. Wenn ihr diese mit der obigen Tabelle vergleicht, werdet ihr sicherlich verstehen, was ich mit Kontinuität meine — denn im Dezember habe ich diese Kontinuität leider vermissen lassen.

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WTF?! Genau das frage ich mich heute auch, wenn ich diese Liste an Käufen und Verkäufen Revue passieren lasse. Moderna hatte ich seinerzeit gekauft, weil sie im Sektor Gesundheitswesen die am besten bewertete Aktie war, allerdings ohne Berücksichtigung von Dividenden. Im November kaufte ich dann die am besten bewertete Aktie aus dem Sektor Industriegüter. Lockheed Martin zahlt Dividende, und ich habe mir seitdem das Ziel gesetzt, nur noch Dividendenaktien zu kaufen. Im Dezember aber begann ich dann zu experimentieren: ich war von dem Gedanken geleitet, gute Value-Aktien zu kaufen, deren Kurse stark gefallen waren, um sie dann nach einem baldigen Kursanstieg wieder zu verkaufen, den Gewinn einzustreichen, und dieses Spiel beliebig oft zu wiederholen. Deswegen verkaufte ich Moderna und stieg bei Kraft-Heinz ein, verkaufte Lockheed Martin und stieg bei 3M ein, weil beide gute Value-Aktien waren, die zum damaligen Zeitpunkt im Kurs nachgegeben hatten. Dazu kaufte ich Pfizer, die dann plötzlich im Kurs stieg. Sichtlich erfreut von diesem Kursanstieg setzte ich dann ein enges Stop Loss, und - in der Tat - wurde dieses Stop Loss kurze Zeit später getriggert und Pfizer automatisch verkauft. Mit IBM wollte ich dieses Spiel dann wiederholen.

Allerdings rumorte es zeitgleich in meinem Kopf. War ich doch angetreten die Sinnhaftigkeit des Verfahrens von Joel Greenblatt zu zeigen (oder zu widerlegen), sah ich mich mehr oder weniger mit Value-Aktien zocken. Es gab dann diesen einen Moment, in dem ich realisierte, dass ich das so nicht angehen konnte, wenn ich schlussendlich eine sinnvolle Aussage zu Greenblatt treffen wollte. Zumal mir dieses Trading auch nicht unbedingt gefiel. Ich wollte ja gerade nicht täglich Kurse vergleichen und dann hin und her traden. Deswegen besann ich mich zurück auf mein initiales Ziel. Ich wollte fortan den Ansatz von Greenblatt durchhalten und nicht durch wildes Hin und Her irgendwelche Experimente durchführen (wobei es mir ab und zu tatsächlich noch in den Fingern juckt das zu tun). Also stellte ich den Zustand vor meinem wilden Experiment wieder her: ich verkaufte die jüngst erworbenen Aktien und kehrte zurück zu Moderna und Lockheed Martin, die ich einst im Oktober beziehungsweise November erworben hatte und schwor mir, sie erst im Oktober bzw. November des nächsten Jahres neu zu bewerten und dann gegebenenfalls zu verkaufen. Mein anschließender offizieller Dezemberkauf fiel auf British American Tobacco, erster Platz im Sektor Basiskonsumgüter mit Dividenden, und — da ich noch etwas Geld im Dezember übrighatte — kaufte ich zusätzlich noch Fortescue Metals ein, die den ersten Platz im Sektor Rohstoffe innehatten. Mein Vorsatz für das neue Jahr war dann, nicht wieder schwach zu werden und Value-Aktien zu traden. Tatsächlich hielt ich mich fortan auch eisern daran.

Wie sieht meine Performance heute aus?

Trotz meines Experiments im Dezember darf ich behaupten, dass ich dem Value-Ansatz von Joel Greenblatt treu geblieben bin. Selbst in meinem experimentellen Dezember habe ich Value-Aktien nach seinem Bewertungsverfahren gekauft, ich habe sie nur nicht ein ganzes Jahr gehalten, wie er es in seinem Buch empfiehlt. Das mache ich erst seit Ende Dezember. Seitdem ist viel passiert und, wie jeder weiß, war die Zeit an der Börse turbulent: Inflation, Ukraine-Krieg und weltweit gestörte Lieferketten belasteten den Markt und belasten ihn noch heute. Viele Tech-Aktien haben an Wert verloren, Value-Aktien scheinen nach dem großen Tech-Hype zwar eine kleine Renaissance erlebt zu haben. Doch Energiekrise und erwartete Rezessionen haben dann trotzdem zu einem Bärenmarkt geführt. Auch mein Depot hat jüngst gelitten, aber — und genau das möchte ich in diesem Beitrag dann doch als vielversprechenden Indikator für die Sinnhaftigkeit des Greenblatt’schen Ansatzes hervorheben — dennoch performt mein Depot besser als der MSCI World ETF oder der MSCI World Value Factor ETF, die ich beide in Portfolio Performance als Benchmark hinzugefügt habe.

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Zufall? Zurecht haben einige Twitter-User meinen Ansatz in Frage gestellt: ein Jahr an der Börse ist doch alles andere als aussagekräftig. Das kann auch pures Glück gewesen sein, frei nach dem Motto: ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn. Diese Kritik ist nicht unberechtigt. Sicherlich ist ein Jahr an der Börse alles andere als lang. Aber, und das darf ich einwenden, haben andere bereits gezeigt, dass der Ansatz von Joel Greenblatt tatsächlich zu einer Outperformance führen kann. Auf Wikipedia finden sich einige Studien verlinkt, die tatsächlich den Erfolg seines Ansatzes in verschiedenen Märkten belegen konnten. Deswegen habe ich Hoffnung, dass meine Outperformance eben nicht pures Glück war, auch wenn ich euch noch um einige Jahre Zeit bitten muss, diese Hypothese zu beweisen. Aber, frei nach Lao Tse, auch das größte Depot beginnt mit der ersten Aktie.

Fazit

Ich bin nach wie vor von Joel Greenblatts Value-Ansatz überzeugt und werde weiterhin mein Geld nach seinem Ansatz investieren. Ich werde weiterhin auf Twitter und Instagram darüber berichten, wie sich mein Value-Depot entwickelt. Vielleicht werden dann die Zweifler von heute eines Tages ihre Meinung über mich ändern oder, falls es anders laufen sollte, ich meine Meinung über Greenblatt. Im Moment bin ich aber weiter zuversichtlich und bereit dieses Risiko einzugehen. Ich freue mich, wenn ihr mich auf dieser Reise begleitet und verspreche euch, regelmäßig über meine Erfahrungen mit Greenblatts Investment-Ansatz zu berichten.