Wie viel ist zu viel?

Die optimale Diversifikation hängt von vielen Faktoren ab. Kann man das Risiko in einem Depot überhaupt zu sehr streuen? Ihr erfahrt es in diesem Beitrag.

Wie man zurecht oft genug hört, ist das Investieren am Kapitalmarkt mit Risiken verbunden und kann sogar zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals führen. Aber wie kann man sich vor einem solchen Totalverlust schützen und sein Risiko minimieren? Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die Anleger ergreifen können, um ihre Portfolios zu schützen. Eine der wichtigsten Maßnahmen zum Schutz des eigenen Portfolios ist die Diversifizierung.

Kurzum spricht man von Diversifizierung, wenn ein Anleger sich dazu entscheidet, verschiedene Anlageklassen und Wertpapiere aus verschiedenen Branchen von verschiedenen Unternehmen aus verschiedenen Regionen für sein Portfolio auszuwählen, um das Gesamtrisiko zu verteilen. Also genau nach dem alten Sprichwort “Lege nicht alle Eier in einen Korb”.

Die Idee hinter der Portfoliodiversifizierung ist also die Risikominimierung. Kann man jetzt also mit dem perfekt diversifizierten Portfolio jegliches Risiko eliminieren? Nein, denn es gibt verschieden Arten von Risiko, solches das sich durch Diversifizierung reduzieren lässt (das unsystematische Risiko) und solches, bei dem genau des eben nicht möglich ist (das systematische Risiko).

Das aktuelle Beispiel für ein solches systematisches Risiko ist die Covid-19 Pandemie. Mit Ausbrauch der Pandemie und den Maßnahmen der Regierungen mussten viele Geschäfte ihre operative Tätigkeit einstellen. Es kam zu Entlassungen und gleichzeitig reduzierten sich die Verbraucherausgaben. Insbesondere Anfang 2020 gab es eigentlich kein Unternehmen und keine Branche oder Assetklasse, die nicht von diesen Auswirkungen betroffen war. Auf der anderen Seite profitierte anschließend fast jedes Unternehmen von den staatlichen Subventionen und den wieder steigenden Verbraucherausgaben. Bei der Covid-19 Pandemie handelt es sich also um ein Risiko, das alle Marktteilnehmer beeinflusst und somit um das systematisches Marktrisiko – egal, wie sehr man sein Portfolio diversifiziert hat.

Damit bleibt nur noch das diversifizierbare bzw. das unsystematische Risiko übrig. Dabei handelt es sich um die spezifischen Risiken eines Unternehmens. Diese lassen sich grundsätzlich in drei verschiedene Kategorien einteilen:

  1. Geschäfts Risko – also Risiken die sich aus der individuellen Tätigkeit des Unternehmens ergeben
  2. Finanzielles Risiko – also das Risiko, dass ein Unternehmen in die Insolvenz geraten kann, da z.B. nicht lukrativ gewirtschaftet wird
  3. Regulatorisches Risko – also das Risiko, das sich eine veränderte Gesetzgebung nachteilig auf die Geschäftstätigkeit und die finanzielle Situation auswirkt

Die hier aufgelisteten Risiken lassen sich kontrollieren, und zwar durch die Auswahl, die der Anleger bei seiner Portfoliozusammensetzung trifft. Dabei werden die individuellen unsystematischen Risiken der einzelnen Wertpapiere für das gesamte Portfolio mit einem steigenden Grad der Diversifikation, also mit einer größeren Vielfalt an Wertpapieren, geringer.

Grafisch lässt sich das ganze wie folgt veranschaulichen:

Risiko.png

Wie man hier sehen kann, ist die Abnahme des unsystematischen Risikos mit zunehmender Anzahl der Wertpapiere rückläufig. Der Unterschied im Risiko zwischen einem und fünf Wertpapieren ist also wesentlich größer als der zwischen zehn und 15 Wertpapieren. Der Nutzen einer stetig steigenden Diversifikation nimmt also irgendwann ab. Daher stellt sich die Frage, ob es einen optimalen Grad der Diversifikation gibt und noch viel interessanter: gibt es überhaupt eine Obergrenze, ab der sich Diversifikation nicht mehr lohnt?

Die optimale Anzahl von Aktien für ein gut diversifiziertes Portfolio kann je nach den spezifischen finanziellen Zielen und der Risikotoleranz des Einzelnen variieren. Viele Finanzexperten empfehlen jedoch, dass der durchschnittliche Anleger ein Portfolio von mindestens 15-20 Aktien halten sollte, um eine wirksame Diversifizierung zu erreichen. Und so spricht auch Benjamin Graham in seinem Buch “The intelligent Investor” davon, dass mit 10 bis 30 Unternehmen eine adäquate Diversifikation erreicht werden kann. Interessanterweise sind diese Empfehlungen über die letzten Jahrzehnte stetig gestiegen und so gibt es teilweise Veröffentlichungen, die auf Basis von Mean-Variance-Analysen erst ab 300 verschiedenen Aktien von einer angemessenen Diversifikation sprechen. (Falls hier jemand tiefer in das Thema einsteigen möchte, habe ich euch den angesprochenen Artikel hier verlinkt). Wie man sehen kann, weichen auch die Fachmeinungen weit voneinander ab und so lässt sich nur schwer eine Range für die optimale Anzahl an Aktien bestimmen. Das gleiche trifft wohl auch für eine maximale Anzahl an Aktien, also eine Obergrenze, zu.

Wichtig ist es, den Zielkonflikt zwischen einer ausreichenden Diversifizierung des Riskos und einem effizientem Portfoliomanagement zu berücksichtigen. Denn je größer die Anzahl der Aktien in einem Portfolio ist, desto zeitaufwändiger und schwieriger wird es, die Performance jedes einzelnen Titels effektiv zu verwalten und zu verfolgen. Zumal das Erzielen einer Überrendite gegenüber dem Markt logischerweise schwieriger wird je größer das Portfolio, da man sich damit zunehmend diesem annähert. Und so sollte man sich ab einer gewissen Portfoliogröße evtl. die Frage stellen, ob sich diese Mühen lohnen und ein ETF nicht ein besseres Kosten-Nutzen Verhältnis bietet.